Gina Buchen
 

Die Geschichte meines Lebens- Selbsthilfe durch Verwandlungsflucht.

Hier möchte ich einen Einblick in meine Kindheit/Jugend, bis heute geben, wie ich dazu kam, der zu sein, der ich bin.
 
Irgendwann, ich habe jenes Jahr gestrichen, da heiratete meine Mutter diesen Mann, meinen Stiefvater.
Vo diesem Tag an wurde ich mehr und mehr von Jens zu "DER" degradiert.
Wie sagt man: "Namen sind wie Schall und Rauch".
So war ich dann das Kind aus Schall und Rauch.
Zugegeben, ich hatte nahezu alles, was ein Kind brauchte.
Nur hatte ich kein liebevolles Elternhaus. Statt dessen gab es täglichen heftigen Streit.
Mein Stiefvater hat mich nur sehr selten Geschlagen.
Er hat mich absichtlich übersehen. Er nahm nur Notiz von mir um mich anschreien zu können.
 
 
Man braucht keine Schläge oder andere körperliche Gewalt, um einen Menschen zu verletzen.
Psychoterror ist, finde ich, schlimmer.
So habe ich mich bereits als Kind  in Fantasie- und Traumwelten geflüchtet.
Fasching war dann für mich das wichtigste Ereignis im Jahr.
Nun konnte ich in eine andere Haut schlüpfen und somit das verhasste, spießige Leben in einer "Vorzeige - Familie" hinter mir lassen.
Als Kind von ca. 5  Jahren musste ich lernen, dass die Fassade gewahrt sein muss.
So musste ich die Tritte unterm Tisch akzeptieren, wenn ich etwas erzählen wollte.
Man konnte ja oberhalb der Tischplatte nicht sehen, was darunter geschah.
Nun wurde ich älter und versuchte meinem Stiefvater immer mehr dem Weg zu gehen.
 
Dann irgendwann in den 80-er Jahren passierte es.
Eine regelrechte Revolution auch und vor allem für mich.
Boy George und  "Culture Club" eroberten die Charts.
Sein Make-up, die Kleidung, - ein Schlag in die Gesichter dieser verhassten kleinbürgerlichen Welt. So wurde er zu meinem Idol und ich versuchte ihn, so oft es ging, zu imitieren. Vorerst heimlich natürlich!
Ich sammelte alles vom ihm, was ich bekam. Jeden Papierschnipsel.
Nun begann ich mir auch Schminke zu kaufen.
Das war in der DDR nicht leicht, da es die einfachsten Dinge nicht gab. Eyeliner? Was ist das? Ich kannte den Namen dieses Striches über dem Auge noch nicht einmal. Auf alle Fälle brauchte ich das.
So musste die gute alte Schuhcreme herhalten.
Überhaupt, man brauchte viel Fantasie und auch Mut, um sich diese Dinge ins Gesicht zu schmieren, die einen "bunt machten".
 
Ich war damals 14 und hatte meine erste "feste" Freundin, womit auch das Alter meiner Entjungferung geklärt sei. Sie war 13 und hatte recht viel Narrenfreiheit  vom Elternhause.
Durch sie fasste ich mehr Mut zur Mode. Von nun an war jeder Modetrend der meine. Das Make-up trug ich noch immer nur heimlich.
Doch so konnte ich mir schon neue Welten schaffen.
Popper-Zeit, New Wave, Gruft - Zeiten...  Ich hatte es nie geglaubt, doch die Vermutung war Realität. Es ging nicht um die Mode.
Zweck des Ganzen war ein stiller Schrei nach Hilfe und Zuwendung. Viele "Freunde", die ich damals fand, hatten ähnliche Sorgen.
Somit war ich unter Menschen, die mich verstanden, die meine Probleme kannten und teilten. Nach und nach ergab es sich, dass ich auch immer mehr in Richtung eines weiblichen Aussehens ging.
Die Augenbrauen wurden nun immer schmaler.
Mein Onkel sagte damals: "Mit gezupften Augenbrauen und solchen Haaren kann man kein Geld verdienen."
Heute macht er einen Bogen um mich und meidet mich, wo er kann. Ja, ja - es ist nicht leicht, sein Unrecht einzugestehen!
 
Ich bin Erwachsen und habe das, was einen Menschen prägt, die Kindheit, hinter mir.
Noch Jahre, nach dem mein Stiefvater über Österreich in die damalige BRD flüchtete, hatte ich Alpträume von diesem Mann. Teilweise noch heute!
Ich hatte immer gehofft, ihn mein ganzes Leben nie wieder sehen oder hören zu müssen.
Unfreiwillig  machte mein Stiefvater, den Menschen aus mir, der ich heute bin. Er hat mich dazu gebracht, dass ich mich sträube seinem Bild von Männlichkeit nachzueifern. Es ist auch ein falsches Bild. Man ist kein Mann, wenn man nur schreit, brüllt und um sich schlägt und dabei die eigene Familie verletzt!
 
Ich lebe nun mein Leben und bereue nichts. Ich habe viele Fehler gemacht und musste dafür gerade stehen. Doch immer waren meine Großeltern  und mein Lebenspartner Jörg für mich da.
Diesem Dreiergespann verdanke ich sehr viel und bin stolz, dass ich sie hatte und habe.
Danke!
 
Etwas später, nach dien obigen Zeilen-
Nach dem ich meine Kindheit und Jugend mit Ignoranz und Abneigung von meinem Stiefvater verbrachte, erfahre ich nun über Umwege, dass er nun nach über 30 Jahren seinen leiblichen Sohn aufsuchte. So weit, so gut. Mein Stiefvater hätte wohl schlechte Träume gehabt und eine innere Unruhe. Das schlechte Gewissen plagte ihn. Was soll man dazu noch sagen? Da plagt ihn das schlechte Gewissen und der Drang etwas gut machen zu wollen.
Auf diese Idee ist er mir gegenüber nie gekommen.
Ich weiß nur eines, ich fühle mich nun um so mehr bestätigt, dass ich übergangen wurde und werde.
Nicht nur meine Kindheit hindurch, sondern bis heute.
Im Kopf habe ich noch immer die gut gemeinten Worte meiner Mutter (die es auch sehr schwer mit ihm hatte), er habe sich in den letzten Jahren geändert.
Mir gegenüber auf alle Fälle nicht.
Es wird Zeit, dass der Alptraum meines Lebens, der mein Stiefvater ist, endlich ein Ende nimmt, ich aufwache um über all das lachen zu können.
 
Bin ich froh und zufrieden? NIEIN.
Es ist schwer so vieles hinter sich zu lassen, was dennoch ein Teil des eigenen Lebens ist. Doch ich habe keine Wahl.
Ich muss endlich die Chance haben, glücklicher zu werden!
Wenn ich Sprüche höre, wie: "Blut ist dicker als Wasser!", dann Antworte ich: "Ich trinke kein Blut, ich trinke Wasser!"
Leider musste ich die Verbindung zu meiner Mutter auch lösen. Früher redete ich mir ein, sie könne nichts für all das.
Doch damit lag ich falsch. Sie hat alles zugelassen. Sie hat nichts getan. Sie hat alles geduldet.
Heute leugnet sie sogar alles und versucht mir einzureden, ich bilde mir alles ein.
Wenn ich Beweise erbringe, sagt sie, sie erinnere sich nicht daran. Damit ist das für sie beendet.
 
Leider kann ich meine schlimmen Erinnerungen, die mich bis heute unverhofft überkommen, nicht einfach löschen.
Sie sind da, wenn ich eine glückliche Familie sehe und mir auffällt, dass ich dies nie hatte.
Die Erinnerungen sind da, wenn ich sehe, das ein Kind schlecht behandelt wird.
Gerade das sind Momente, da ich nicht an mich halten kann und meist den Eltern gegenüber klare Worte finde!
Ich kann meine Erinnerungen nicht löschen. Ich wünschte, ich könnte es. Das würde mein Leben sehr erleichtern!
 
Erkenntnis...
Familie, das sind die Menschen, die immer für dich da sind. Nicht die, mit denen du verwand bist.
Ich habe alles aus meinem Leben verbannt, was mir nicht gut tut.
Sei es Familie oder was auch immer.
Mehr denn je höre ich auf meinen Körper und meine Gefühle.
 
Ich kann und möchte hiermit allen Mut machen, die Unglücklich sind- lasst alles hinter euch, was euch kaputt macht!
 
Wir haben nur ein Leben und das gehört uns ganz allein.
Macht das beste und schönste daraus!
 
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